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Übernahme der Festsetzungen - Timo Kruckemeyer - 22.03.2023 Hallo Forum, die Digitalisierung von handgezeichneten Bebauungspläne aus der Planurkunde in das moderne CAD ist manchmal nicht so einfach. Gibt es hierzu eine "Richtlinie", inwieweit die Toleranz ist? Klar, die Flurstücksgrenzen sollen übernommen werden, aber was passiert, wenn auf der Planurkunde die tatsächliche Straßenbegrenzungslinie z. B. 2, 3 oder 5 oder mehr Meter davon abweicht? Übernehmen oder auf die Flurstücksgrenze setzen? Ich bin gespannt auf Eure Antworten! Viele Grüße! RE: Übernahme der Festsetzungen - geigerp - 12.11.2024 Hallo Timo Kruckemeyer, ich bin gerade von meiner Kollegin auf diesen doch etwas älteren Beitrag aufmerksam gemacht worden, der unbeantwortet blieb und mir ganz offensichtlich durch die Lappen ging. Möglicherweise ist die Antwort für Sie speziell nicht mehr relevant, aber ich beantworte den Beitrag trotzdem gerne, falls jemand anderes mal eine ähnliche Frage haben sollte. Zitat:Gibt es hierzu eine "Richtlinie", inwieweit die Toleranz ist? Nein. Im Prinzip gilt bei allem, dass wir unsere Zeichnung im Zweifel rechtlich verteidigen können müssen. Es ist deshalb auch nicht möglich hier eine Richtlinie oder Faustregeln für Genauigkeiten zu entwickeln, da jeder Plan unterschiedliche Voraussetzungen mit sich bringt. Ein (sehr) einfaches Beispiel: Eine Abweichung einer Straßenbegrenzungslinie von 20cm zu einer Flurstücksgrenze kann in vielen Fällen durchaus noch auf die Flurstücksgrenze interpretiert werden, wenn der Plan, respektive die Straßenbegrenzungslinie auf einer älteren Katastergrundlage ohne Koordinatenkataster-Qualität (https://de.wikipedia.org/wiki/Koordinatenkataster) geplant wurde. Liegt Ihnen also nur ein Scan eines analogen Plans vor, den Sie nun auf heutiges Kataster georeferenzieren, ist so eine Abweichung durchaus zu erwarten. Bestand bei Entstehen der Straßenbegrenzungslinie aber bereits Koordinatenkataster-Qualität, ist eine Abweichung von 20cm bedeutsam, da die Standardabweichung von 3-5cm mit einer Abweichung von 20cm schon deutlich überschritten wäre. Hier müsste man prüfen, ob diese Abweichung nicht absichtlich geschah. Jetzt habe ich aber oben angegeben, dass es sich um ein sehr einfaches Beispiel handelt. Man kann jetzt zig Argumente / andere Bedingungen nennen, durch welche meine o.g. Aussagen sich nicht mehr halten lassen. Um sich ein wirkliches Urteil bilden zu können, ob es sich bei einer Abweichung um Absicht handelt, gibt es etliches zu beachten:
Zur Recherche helfen beispielsweise
Es kann Extremfälle geben, bei denen es auf wenige Zentimeter ankommen kann (z.B. Baugrenzen zur Einhaltung von Abstandsflächen), oder aber auch Fälle, in denen die unbeabsichtigte Abweichung tatsächlich einige Meter beträgt. Dies bei den von uns intern sogenannten "Burda-Plänen" selten mal der Fall. Hierbei handelt es sich um Bebauungspläne, die bei Änderungsverfahren zerschnitten wurden ("burda style" ist eine Modezeitschrift mit Schnittmustern für Leute, die gerne nähen und dann halt viel zerschnippeln ), um Teile daraus auszutauschen. Anschließend wurden diese dann wieder zusammengesetzt und als neues Dokument gescannt, um sich die Arbeit zu sparen, den gesamten Plan wegen einer kleinen Änderung neu (händisch!) zeichnen zu müssen. Je nachdem, wie genau man da allerdings beim Zerschneiden, Ersetzen und Zusammenkleben war, können bei einem 1:1000er Plan auch schon mal mehrere Meter unbeabsichtigter optischer Abweichung drin sein, wenn da unsauber gearbeitet wurde, der Scan nicht besonders gut war und die Kollegen für eine präzise Linie den dicksten Filzstift genommen haben, den sie greifen konnten. Zudem haben sich sich diese Fehler auch zum Teil "weiterentwickelt", wenn die Altvorderen diese auch blind weiter übernommen und fortsetzend falsch interpretiert haben. Das Dilemma ist damit aber vielleicht klar geworden: Je nach Situation kann es absolut eindeutig erkennbar sein, dass es sich einfach nur um eine kleine Abweichung handelt, die einen offensichtlichen vertretbaren Grund hat, sodass man zweifelsfrei eine Interpretation auf eine Grenze vornehmen kann, ohne groß weiter prüfen / recherchieren zu müssen. In anderen Fällen ist es hingegen nicht eindeutig. Dann beginnt die Recherche. Die kann im besten Fall schnell zu einer klaren Entscheidung führen. Im ungünstigsten Fall ist die Recherche hingegen aufwendig. Dann bedarf es das Rekonstruieren ehemaliger Grenzverhältnisse mittels alter Risse. Je nachdem, wie viel sich da in den letzten Jahren geändert hat, wie viel zusätzlich noch umgeflurt wurde und wenn außerdem noch Grenzpunkte weggefallen sind, kann das zu einer regelrechten Sisyphosarbeit entarten - nicht selten, um schlussendlich nur festzustellen, dass die ursprüngliche Vermutung korrekt war und man sich die ganze Arbeit hätte sparen können. In sehr seltenen Fällen bleibt trotz intensiver Recherche aber eine unklare Sachlage bestehen. Immerhin kann man sich nach einer solchen Recherche dann aber auch sicher sein, dass diese Sachlage tatsächlich unklar ist. In diesem Fall stecken wir die Köpfe zusammen und finden eine Lösung, die am ehesten vertretbar ist und legen hierzu auch eine Begründung der Akte bei. Manchmal besteht in einem z.B. Änderungsverfahren auch die Möglichkeit mit demselben eine rechtliche Unklarheit aus dem Weg zu räumen. Im schlimmsten Fall kann das alles ein Gericht natürlich schlussendlich anders sehen. Wir haben uns dann aber nichts vorzuwerfen. Je nach Kommune sind solche Detailarbeiten vielleicht gar nicht möglich. Ich habe von kleineren Kommunen gehört, dass sich dort teilweise eine "One-Man-Show" sich um alles kümmern muss. Diese kann unmöglich dann auch in jedem Detail Kompetenz aufweisen. Wie dann damit umgegangen werden soll, weiß ich nicht, denn selbstverständlich dürfen unsere digitalisierten Pläne kein neues Planungsrecht schaffen. Die Stadt Wuppertal leistet sich deshalb für die korrekte Interpretation und exakte Zeichnung extra vermessungstechnisches Fachpersonal, da dieses das hierfür notwendige Fachwissen verfügt, und worüber ich im Übrigen auch deshalb ganz glücklich bin, da das u.a. mir einen Arbeitsplatz sichert. In kleineren Kommunen wird das aber nicht drin sein. Mit den besten Grüßen Pascal Geiger |